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Termine: Vortrag „Elterliche Scheidung, wahrge-nommenes Erziehungsverhalten und Bindungsqualität von Kindern – eine längsschnittliche Betrachtung”

Yvonne Borchert und Elisabeth Sander
Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz, Institut für Psychologie

Zur Entwicklung der Bindungsqualität nach der elterlichen Scheidung gibt es nur wenige empirische Studien. Um diese Forschungslücke schließen zu helfen, führten wir eine drei-jährige Längsschnittstudie durch. Ein Schwerpunkt unserer Fragestellungen lag auf der Untersuchung der Bindungsqualität über den genannten Zeitraum bei Scheidungskindern und Kindern aus Zweielternfamilien sowie auf der Untersuchung eines möglichen Zusammenhangs zwischen der Bindungsentwicklung und der Wahrnehmung des Erziehungsverhaltens aus Sicht der Kinder und der Eltern.
Insgesamt bestand die Stichprobe, zum Beginn der Studie, aus 82 sechs- bis achtjährigen Kindern und ihren Müttern aus dem Großraum Koblenz. 40 Kinder lebten in Einelternfamilien aufgrund der elterlichen Trennung, 42 Kinder wuchsen zum Zeitpunkt der Studie in Zweielternfamilien auf. Das Durchschnittsalter der Versuchsgruppe betrug 7,47 Jahre und das der Kontrollgruppe 7,28 Jahre. Die Geschlechterverteilung war in beiden Gruppen ausgeglichen.
Als Instrument zur Erfassung der Bindungsqualität setzten wir das ‚Bochumer semiproduktive Verfahren zur Erfassung der Bindungsmotivation und Bindungsqualität’, entwickelt von Trudewind, Höner, & Steckel (1999), ein. Dieses Verfahren wurde von uns im Rahmen einer Vorstudie an 61 Kindern auf die Altersgruppe der Kinder, die an der Längsschnittsstudie teilnahmen, adaptiert.
Das elterliche Erziehungsverhalten wurde mit dem Zürcher Kurzfragebogen zum Erziehungsverhalten (Reitzle, Winkler, Metzke und Steinhausen, 2001) gemessen. Dieses Verfahren fokussiert anhand der Skalen: ‚Wärme und Unterstützung’, ‚Regeln und Kontrolle’ und ‚Psychischer Druck’ die Eltern- und Kindersicht im Vergleich.
Die durch die Trennung subjektiv empfundene Belastung der Kinder aus Einelternfamilien wurde mittels eines Fragebogens zur emotionalen Scheidungsbelastung (Kurdek, Blisk & Siesky, 1981) in einer von Stary, Arnold & Reisel (1986) modifizierten Form erhoben.
Die genannten Testverfahren wurden im Rahmen einer größeren Testbatterie in der häuslichen Umgebung der Kinder zu drei Messzeitpunkten, im Abstand von jeweils zwölf Monaten, durchgeführt.
Die Ergebnisse unserer Untersuchung deuten darauf hin, dass die Bindungsqualität von Scheidungs- und Nichtscheidungskindern in Abhängigkeit vom Geschlecht und Messzeitpunkt unterschiedlich ist. Die Bindungsqualität der Scheidungskinder, die die elterliche Scheidung schlecht verarbeitet haben, ist zum Beispiel zum ersten Messzeitpunkt eindeutig schlechter als die der Kinder aus Zweielternfamilien. Dies ist beim zweiten und dritten Messzeitpunkt nicht mehr der Fall. Bei den Scheidungskindern fanden wir geschlechtsspezifische Unterschiede in der Bindungsqualität zugunsten der Mädchen.
Ebenso wurden Beziehungen zwischen perzipiertem Erziehungsverhalten und Bindungsqualität gefunden; teilweise auch in Abhängigkeit von Geschlecht und Messzeitpunkt: so zeigte sich z.B. über die Untersuchungs- und Kontrollgruppe hinweg, dass Mädchen häufiger von elterlicher ‚Wärme und Unterstützung’ in ihrer Erziehung berichteten. Hohe Bewertungen der Eltern in den Skalen ‚Psychischer Druck’ und ‚Regeln und Kontrolle’ gingen meist mit einer unsicheren kindlichen Bindungsqualität einher. Bei sicher gebundenen Kindern berichteten die alleinerziehenden Mütter zum zweiten Messzeitpunkt über mehr ‚Psychischem Druck’ in ihrem Erziehungsverhalten.
Die Ergebnisse der Studie bestätigen die Thesen, dass Bindungsqualität und Wahrnehmung des Erziehungsverhaltens in einer wechselseitigen Beziehung stehen und sich Scheidungskinder binnen zwei bis drei Jahre wieder der Entwicklung von Kindern, die in Zweielternfamilien leben, annähern. Die Interpretation erfolgt auf dem Hintergrund der Befunde der Scheidungs- und Erziehungsstilforschung sowie der Bindungstheorie.
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